Reise zu den Inuit
Eine Erzählung in Bildern
von Jane Tversted und Martin Zähringer
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Der Filmregisseur Zacharias Kunuk aus Igloolik will die Kultur der Inuit bewahren
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Im Herbst 2022 reisten wir nach Nunavut in Nordkanada. Nunavut ist seit 1999 eines der autonomen Inuitgebiete in Kanada. Hier leben etwa 39 000 Menschen, die meisten in der Hauptstadt Iqaluit.
Im Flieger über Igloolik
Unser Ziel war ein kleiner Ort am nördlichen Ende der Hudson Bay, die alte Inuitsiedlung Igloolik. Dort lebt der Filmregisseur Zacharaias Kunuk, der im Jahr 2001 mit seinem Kollektiv Isuma in Venedig die erste Goldene Kamera für Kanada gewann. Seither produziert Isuma international erfolgreiche Spielfilme und stellt mit Isuma TV eine wichtige Medienplattform für die kanadischen Inuit.
Im Canadian Museum of History
Unsere erste Begegnung mit Zacharias Kunuk hatten wir in Kanadas Hauptstadt Ottawa. Wir besuchten dort das Nationale Geschichtsmuseum mit seinen großen Sammlungen indigener Kunst und Artefakte. Gleich am Anfang der Etage für die Inuit war eine Skulptur des Künstlers Zacharias Kunuk ausgestellt. Er hatte mit dem Erlös seiner Bildhauerarbeiten in jungen Jahren die erste eigene Videokamera gekauft.
Im Canadian Museum of History in Ottawa gibt es eine Etage für die First Nations
Die First Nations in Kanada stellen in den offenen Hallen des riesigen Museums beeindruckende Kunstwerke zur Schau.
Es gibt auch eine Sammlung mit historischen Zeugnissen des großen Themas, das derzeit den Kulturkontakt bestimmt: Die Zwangsassimilierung der indigenen Bevölkerung mit Hilfe der Kirchen und eines rücksichtslosen Umerziehungssystems.
Auch die Inuit waren davon betroffen, wir werden später in Igloolik noch mehr dazu erfahren.
Nunavut ist ein selbstverwaltetes Territorium der Inuit im Nordwesten Kanadas. Gegründet 1999. Neben Grönland mit seiner 2009 eingeführten Selbstverwaltung ist Nunavut das zweite große Inuitgebiet in der Arktis. Gesprochen wird vorwiegend Inuktitut und Englisch. Die Hauptstadt Iqaluit wächst.
Die neuen Stadtteile von Iqaluit liegen meist oben auf felsigen Hügeln.
Die Höhenlagen der Stadt bieten fantastische Ausblicke.
Sichtbar sind auch die sozialen Probleme, die viele auf die Nachwirkungen des kulturellen Genozids zurückführen. Selbstmord vor allem von jungen Menschen ist für alle arktischen Völker eine Herausforderung.
Igloolik liegt etwa 3 Flugstunden von Iqaluit entfernt im arktischen Norden.
Die Maschine hat noch 1 bis 2 Zwischenlandungen in kleineren Siedlungen, ohne Straßen bleibt nur das Fliegen als Verkehrsmittel zwischen den Orten.
Ankunft in Igloolik. Pro Tag gibt es einen Flieger. Die ankommenden Passagiere müssen nicht lange warten.
Igloolik ist für arktische Begriffe eine recht große Siedlung. Sie war jahrhundertelang ein Knotenpunkt der nomadisch lebenden Inuitgruppen. Heute leben ca. 2000 Menschen hier.
Gewachsen ist die Gemeinde auch wegen den Zwangsumsiedlungen in den 1960er Jahren. Über die Umsiedlung einer Jäger- und Fängerfamilie hat Isuma einen dramatischen Spielfilm gedreht - “One Day in the Life of Noah Piugattuk”.
Die Arktis und die Wissenschaft
Eine Arktis-Forschungsstation mitten in Igloolik. Es ist vielleicht kein Zufall, dass sie sich wie ein Unbekanntes Flugobjekt hier ausmacht. Abgehoben in den Betonwaben, scheint die Wissenschaft nicht gerade den engen Kontakt mit den Inuit auf der Erde zu suchen. Genau diese Haltung - nicht mit den Inuit zu reden - war die Motivation den Film „Qapirangajuq - Inuit Knowledge and Climate Change” zu drehen. Hier kommen ausschließlich Inuit zu Wort. Ihr eigenes Klimawissen basiert auf Beobachtung und Erfahrung.
Tradition und Indigenes Wissen
Ein zentrales Thema ist der Wal. Der Doku-Film „Arviq! (Bowhead!)” begleitet einen Prozess um das Recht auf traditionelle Nahrung. Am Ende erhielten die Inuit in Nunavut das Recht auf einen Grönlandwal pro Jahr. Aber als sie den ersten gefangen hatten, wußte niemand mehr wie man so ein Tier tötet. Nach Jahrhunderten der industriellen Massenabschlachtungen durch Weiße, hatte man den Walfang verboten und damit verloren die Inuit ihr traditionelles Wissen.
Carol Kunnuk und Susan Avingaq senden aus dem "Qammaq", ein Studio eingerichtet wie eine Hütte der 1950er Jahre. Ihre Sendung in Inuktitut heißt „Tunnganarniq Nunagijavut/ Welcome to our Qammaq".
Susan Avingaq war in ihrer Jugend eine einfache Hausfrau, die noch ihren Mann fragen mußte, ob sie an einem Filmworkshop teilnehmen darf.
Zum Glück durfte sie und heute ist sie eine der wichtigsten Akteurinnen des Isuma-Kollektivs. Bei den großen Spielfilmen war sie zuständig für Kostüm und die richtige Kulisse, für Regie und Drehbuch und auch Produktion.
In Vorträgen und in ihrer TV-Sendung versucht sie durch die Vermittlung des traditionellen Wissens das Selbstbewußtsein der Inuit zu stärken.
Ohne Diesel geht in der Arktis nichts. Zacharias Kunuk füllt den Tank vor seiner Freizeithütte auf.
Das Highlight unserer Reise war das Treffen mit Zacharias Kunuk - ehemaliger Bildhauer, der zum berühmtesten Filmemacher der Inuit wurde, ausgezeichnet mit der Goldenen Kamera in Cannes, Begründer eines arktischen Filmkollektivs, das international bekannt wurde, Spiritus Rector der Medienplattform Isuma-TV, die in der Sprache der Inuit sendet.
Zacharias Kunuk hat uns viel erzählt von seinem Leben und seiner Kunst, in den Gesprächen im Studio, auf den Fahrten über Land und in seiner Jagdhütte am vereisten Sund.
Was wir vor allem lernten: Die großartigen Spielfilme, weltweit bekannt und mit vielen Preisen ausgezeichnet, sind aus einem einzigen Grund entstanden: um die Erinnerung an die Kultur der Inuit zu bewahren, unabdinglich für die Rückgewinnung einer eigenen Identität, in einer Zeit, in der die Wunden der Geschichte noch längst nicht geheilt sind.
Wir haben aufmerksam und genau zugehört und wünschen euch ein spannendes Hörerlebnis mit unserem Radiofeature „Isuma – Filmen am Rande der Welt“.